Überwachung

Am 14. Juni 2003 verkündete Innenminister Otto Schily, dass er nach einem Bombenfund am Dresdner Hauptbahnhof die Videoüberwachungs-Maßnahmen an Bahnhöfen ausweiten will. Es stellt sich die Frage nach dem Sinn und den Folgen; die Frage nach den Kosten möchte ich hier nicht weiter betrachten.

Der angestrebte Sinn und Zweck:

Die Überlegung ist klar: Wenn die Überwachung der Bahnhöfe umfangreicher wird, fühlen sich Reisende sicherer, Terroristen und Bombenleger bedrohter, und es sollte allgemein schwieriger werden, wie auch immer geartete Kriminalität an überwachten Plätzen auszuüben.

Aber...

... dazu wird die Videoüberwachnung nichts beitragen.

Ein anderes Szenario

Was wäre nun, wenn ein Reisender sich auf eine Bank setzt, kurz vor dem Schließen der Türen in einen Zug steigt und seine kleine, unverdächtige Tasche ganz unverdächtig aber dummweise unter/neben der Bank vergisst, weil er seine Zeitung hektisch zusammengelegt hat und in Richtung Zug gehetzt ist? Richtig: Dieser Umstand wird genau so auf den Videobändern (so es welche gibt und es sich nicht um Echtzeit-Überwachung durch entsprechendes Personal handelt) erscheinen, und vermutlich niemand wird hier ernsthaft Verdacht schöpfen oder die Tasche entdecken - bis die Bombe hoch geht.

Ich für meinen Teil gehe nicht davon aus, dass ein Bombenleger schwarz maskiert und mit auffälligen Gegenständen hantierend eine Bombe zu legen versucht; damit stellt sich die Frage nach dem entstehenden Vorteil durch zusätzliche Kameras oder sogar Kameras überhaupt. Selbst wenn man einwirft, auf eventuellen Videobändern könnte der Bombenleger gefunden und erkannt werden, gibt es Gegenargumente: Ein Schalter in einer Bank ist ein definierter Raum, der mit einer einzelnen Kamera relativ einfach zu überwachen ist - so, dass dabei auch noch relativ scharfe Bilder bei relativ geringem Datenaufkommen entstehen können. Ein Bahnhof ist um einige Größenordnungen umfangreicher zu überwachen. Setzt man ausschließlich fixe Kameras ein, werden die Bilder vermutlich kaum zur Identifizierung des Kriminellen ausreichen. Setzt man variable/bewegliche Kameras ein, wird die Kamera mit ziemlicher Sicherheit genau dann woanders hinsehen, wenn es an einer Stelle wesentlich wäre.

Gegen die Überwachung

spricht, dass schon wieder in noch größerem Maße unschuldige Personen ins Fadenkreuz der Kamera gezogen und deren Bilder verarbeitet werden. Dabei ist nichteinmal eine Speicherung der Bilder notwendig; es gibt ausreichend Mechanismen, die mittels Bilderkennung und dem Vergleich von Gesichtsmerkmalen, ... versuchen, eine Person zu identifizieren. Mit zunehmender Verbreitung der dem eigentlichen Ziel kaum näher bringenden Überwachungsmaßnahmen wird es somit zentralen Stellen immer möglicher, ein relativ genaues Bild über das Bewegungsprofil, das Umfeld und das Leben einer Person oder einer Personengruppe zu erlangen, was ganz vehement den Grundrechten auf Privatspähre und Co. widerspricht. Unschuldige könnten (weil sie vielleicht auch auf der Bank gesessen und an der Tasche herumgefunmmelt haben) ins Augenmerk von Ermittlern rücken, die mit "unschlagbaren" Video-Beweisen anrücken. Ich bin somit absolut dafür, dass der auch seitens der Regierung immer wieder hochgehaltene "notwendige Schutz der persönlichen Daten und der Privatsphäre" nicht noch weiter ausgehöhlt sondern der Ansatz "Videoüberwachnung" einmal tatsächlich sinnvoll geprüft und nicht nur blind umgesetzt wird.

© mdiedrich.de - http://www.mdiedrich.de/index.php?article=15 - 17.06.2009